Geil, einfach megageil
Klar, im Moment des
Triumphs hat auch er die Worte benutzt, die seine Teamkollegen hinausgeschrien
haben. "Geil, einfach megageil", fand er den Wettkampf, die Stimmung
und erst recht die Siegerehrung auf dem Stuttgarter Schlossplatz - vor 5000
Zuschauern. Aber jetzt, am Tag danach, sagt Andergassen auch Dinge wie:
"Unglaublich, dass ich das noch erleben durfte."
Nun ist Andergassen kein Greis. Doch sein Leben als Hochleistungssportler neigt
sich langsam, aber sicher dem Ende entgegen. Das ist keine böswillige
Unterstellung - sondern die eigene Einschätzung des Turners. "Ob ich über
2008 weitermache, weiß ich nicht", sagt er. Die Zukunft ist offen. Genauso
wie es die Vergangenheit war.
Verletzungen, immer wieder Verletzungen - so könnte man den Weg beschreiben,
den Andergassen in den vergangenen Jahren gegangen ist. Schon im Juniorenalter
verpasste er zwei komplette Jahre, dann kamen Hüftprobleme, wegen derer er
nicht mehr an Sprung und Boden turnen kann. Und im Frühjahr dieses Jahres stand
plötzlich alles in Frage. Die Form, die WM, ja sogar die Karriere. Die Schulter
schmerzte, und Andergassen gibt zu: "Ich wusste nicht, ob das mit der WM
hinhaut." Er entschied sich gegen eine Operation, für eine Pause und den
konsequenten Formaufbau danach. Nun hat er Bronze. "Dafür hat sich das
alles gelohnt", sagt er. Entsprechend wurde gefeiert - im Stuttgarter Club
Boa. "Es hat mal wieder richtig gut getan, mit Freunden ein wenig zu feiern."
Die Pflicht rief früh genug: ein Fernsehauftritt am Freitagmorgen.
Der Erfolg bei der Heim-WM macht"s möglich: Plötzlich steht nicht nur
Fabian Hambüchen im Fokus, sondern auch einer wie Andergassen. Eigentlich, so
sagt er, fühle er sich wohl in seiner Rolle im Hintergrund. All das, was der
WM-Erfolg nun mit sich bringt, genießt er dennoch - ganz ohne sich davon
irgendetwas zu versprechen. "Hätte ich die Medaille vor fünf Jahren
gewonnen", sagt er, "hätte ich damit vielleicht Hoffnungen verbunden."
Auf Werbeverträge vielleicht, auf Ruhm. Nun, mit 27 Jahren, hat er nur auf
eines gehofft: auf die Bestätigung seiner Arbeit. "Ich habe mich
unglaublich konsequent vorbereitet", sagt er, "nicht nur in der
Halle." Bereichert hat sein Training die Arbeit mit einem Psychologen. Die
Zweifel ("Ich hatte auch das Szenario eines 15. Platzes im Kopf") hat
er mit dessen Hilfe besiegt. Er sagt: "Ich war in der Form meines
Lebens." Die hat ihn zur Medaille geführt - der Rest ist erst mal offen.
Wie die Schmerzen in der Schulter in den Griff zu bekommen sind, ist noch
unklar. Ob ihn einer aus der starken Nachwuchsriege aus der Mannschaft für
Peking verdrängt, ebenso. Aber Thomas Andergassen ist noch einmal bereit zu
kämpfen.
Seit Donnerstagabend weiß er endgültig, dass es sich lohnt